Cusanus Hochschule: Schiffbruch Selbstverwaltung?

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Zeitschrift Sozialimpulse (Heft 3, September 2021, S. 26–29). Ich danke Stefan Padberg für die Möglichkeit der Veröffentlichung auf der denkortreiniger*in.

Im Januar 2019 ging die mit einem hohen ideellen Anliegen gestiftete Cusanus Hochschule in die Brüche. In diesem Beitrag gehe ich auf Spurensuche nach den Fragen und Herausforderungen, die sich in Bezug auf Selbstverwaltung im Geistesleben aus der Entwicklung der Cusanus Hochschule herausarbeiten lassen. Ich werde schildern, in welcher Form die Hochschule gestiftet wurde, welche Schwierigkeiten auf dem Weg aufgetreten sind und was zwischen Gründung und Schiffbruch passiert ist, so dass das idealistische Projekt Cusanus Hochschule heute als gescheitert gelten darf. Abschließend werde ich hieraus einige knappe Thesen zur Herausforderung akademischer Selbstverwaltung kondensieren. Dabei kann ich neben frühen Kontakten zum Kreis der GründerInnen auf die Erfahrung als Student (2016–2020), als Mitarbeiter der Verwaltung (2017–2018) und als Senatsmitglied (2017–2018) der Hochschule zurückgreifen. Nach dem Bruch habe ich mit beiden Parteien gesprochen und Gespräche moderiert; stand also nicht von Anfang an auf einer Seite.

Zunächst blicke ich auf die kurze Geschichte des Bildungsimpulses der Hochschule, der schon etwas älter ist: Am Anfang steht 2009 die Gründung der Kueser Akademie für europäische Geistesgeschichte, einer außeruniversitären Institution für Forschung und Lehre in Bernkastel-Kues.1 Aus dem an dieser Akademie beteiligtem Personenkreis heraus wurde 2014 die Cusanus Hochschule in Gründung gestiftet. 2015 folgte deren Anerkennung als Hochschule in freier Trägerschaft durch das Land Rheinland-Pfalz, befristet auf fünf Jahre. Damit konnten zwei M. A.-Studiengänge (Philosophie/Ökonomie) angeboten werden, 2016 folgten entsprechende B. A.-Studiengänge. 2019 kam es zum internen Bruch und zu einer „Neuausrichtung“, die sich heute nicht nur in einem neuen Namen, Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, widerspiegelt.

Ebenfalls 2019 wurde aus der Kueser Akademie her­aus das Philosophische Seminar gegründet, zu dem abschließend noch einige Bemerkungen folgen.

1. Aufbruch: Gründungsimpuls und Hochschulstruktur

Die Cusanus Hochschule war nicht ohne Grund angesiedelt in Bernkastel-Kues, zwischen Trier und Koblenz an der Mosel gelegen.2 Hier wurde 1401 Nikolaus von Kues (latinisiert: Cusanus) geboren, einer der wichtigsten Denker der frühen Neuzeit. Cusanus hat einmal den Satz geschrieben: Der freie Geist bewegt sich selbst.3 Dieser Satz bildete nicht nur das Motto der Hochschule, er verdeutlicht auch, mit welchem Impuls die Hochschule angetreten ist.

Briefmarke der Cusanus Hochschule mit dem Hochschulmotto
In der Anfangszeit gab es Briefmarken mit dem Hochschulmotto.

Denn aus ihm ergibt sich der Arbeitsauftrag für eine Hochschule „cusanischer Prägung“, die Bedingungen der Möglichkeit herzustellen, damit dieser „freie Geist“ sich selbst orientieren lernt in der Gewordenheit einer Situation, sich bewegen lernt in der eigenen Biographie, in seinen Handlungsfähigkeiten und -möglichkeiten als lebendiges Bild – so Cusanus’ Ausdruck für die Schöpferkraft des Menschen: viva imago Dei –, um als freier, kreativer Mensch im Hinblick auf eine offene Zukunft gestaltend tätig sein zu können. Anders ausgedrückt: Damit wir Menschen als Natur- und Gesellschaftswesen überhaupt „freie Geister“ werden.

Es geschieht heutzutage nicht allzu häufig, dass ProfessorInnen selbst eine Hochschule gründen („akademische Selbstgründung“). Dabei sind es gerade die HochschullehrerInnen, die die historischen und schwierigen Bedingungen einer Hochschule kennen – im Fall der Cusanus Hochschule erwuchs ihnen daraus, mit einem Humboldt’schen Analogon gesagt: die Frage nach den Grenzen der Wirksamkeit des Staates in der Bildung. Die Cusanus Hochschule war immer auch ein Versuch, diese Grenzen überhaupt erst auszuloten, statt sich einem fatalistischen Lamentieren über die Bildung anzuschließen. Da stand also die Frage: Ist das Bildungssystem de jure (Landes- und europäisches Hochschulrecht) so schlimm, wie es de facto landläufig umgesetzt wird? Das Ergreifen dieser Frage hat hier zu zwei grundlegenden Innovationen im Hochschulbereich geführt, die eigentlich Rückgriffe auf eine alte Universitäts-Idee sind.

Die erste betrifft, anknüpfend an den Impuls akademischer Selbstgründung, die Frage im Innen: Muss eine Hochschule als Präsidialsystem angelegt und geführt werden? Die Cusanus Hochschule hat es in der staatlich anerkannten Grundordnung geschafft, einen akademischen, „demokratischen“ Senat als höchstes Gremium festzulegen, der im Sinne der ersten Universitäten als Kollegialorgan leitet und lenkt. Die zweite betrifft nach Außen die Frage der Finanzierung und Mitbestimmung: Die Cusanus Hochschule war angelegt als eine Hochschule, die sich selbst gehört. Kein Träger, ob nun Staat, Stiftung oder Unternehmen, sollte rechtlich bzw. in Gremien (mehr) darauf Einfluss nehmen können, was an der Hochschule von den AkademikerInnen gelehrt oder geforscht wird. Rechtlich gelöst wurde das durch die Stiftung der Hochschule als gemeinnützige unselbständige Treuhandstiftung, die getragen wurde von einer gGmbH (Cusanus Treuhand) zur Gestaltung des Wirtschafts- und Rechtslebens. Diese gGmbH ist durch einen Vertrag mit den Stiftern verpflichtet, die Entscheidungen der Hochschule nach außen zu vertreten.

So aufgestellt ging dieses Schiff, die Worte des Cusanus am Horizont und die schwierigen Erfahrungen in der Frage des Einflusses von Außen und die Fremdverwaltung hoffentlich vermeidend, auf freie Fahrt. Ich möchte nun zu den Schwierigkeiten kommen, die sich auf diesem Weg ergeben und gezeigt haben.4

2. Auf rauer See (2014–2018)

Die Situation der Hochschule war von Anfang an nicht ohne Probleme. Ich möchte im Folgenden auf vier Punkte hinweisen.

Reakkreditierung

Die große Chance, aber auch erste Schwierigkeit auf dem Weg, gründet in der Ausrichtung auf den Status einer staatlich anerkannten Hochschule, die hochschulrechtlich verbürgt Studiengänge anbieten darf. Dies geht zum einen einher mit hohem personellen Aufwand – für die HochschullehrerInnen bedeutet das neben Forschung und Lehre auch Verwaltung –, etwa durch Berichtspflichten an das Ministerium. Daneben mussten innere Angelegenheiten nicht selten mit dem Ministerium rückbesprochen werden. Zum anderen wurde die staatliche Anerkennung auf fünf Jahre befristet, so dass für 2020 eine Re-Akkreditierung anstand. Diese ging als umfangreicher Katalog von bis dahin zu erledigenden Bereichen (Bibliothek, internationale Kontakte, Stellenaufbau etc.) wie ein Gespenst durch die Flure der Hochschule. All der Aufwand jedoch, das sei hier nebenbei erwähnt, ohne – anders als Schulen in freier Trägerschaft – staatliche Refinanzierung zu erhalten. (Allerdings sind ab 2018 Bund-Länder-Hochschulpakt-Mittel geflossen, die zunächst etwa fünf Prozent, später bis zu zehn Prozent des Jahreshaushaltes ausmachten.)

Langfristige Finanzierung

Die zweite Schwierigkeit lag darin, dass es nicht geschafft wurde, in den ersten Jahren über eine Ausfallbürgschaft hinaus langfristige Finanzierungszusagen (neben Studienbeiträgen und Forschungs-Drittmitteln) zu erhalten. Das bedeutet für eine Institution, die finanziell gerade einmal auf Sicht segeln kann, bei einem Haushalt von circa einer Million Euro, eine erhebliche Last und Ungewissheit, die Zukunft der Mitarbeitenden eingeschlossen.5 So wurde zwar durch die Anlage der Hochschule die Abhängigkeit von bestimmten Anderen möglichst vermieden, was jedoch die Abhängigkeit von unbestimmten Anderen und entsprechendes Marketing hin auf „marktkonforme“ Strukturen und „Narrative“ zur Folge hatte – das wiederum mit erheblichem Aufwand und bis heute unzähligen Richtungswechseln in der Außendarstellung betrieben wurde.

Zuwachs ohne ideellen Boden

Die dritte Schwierigkeit war, dass die Hochschulgestaltung in den Anfangsjahren maßgeblich nicht, wie eigentlich vorgesehen, vom Senat als höchstem Gremium, sondern vom eigentlichen Ausführungsorgan, dem (hauptamtlichen) Präsidium, geleitet wurde. Das hat erst einmal seinen Zweck erfüllt, da die Gründungsprofessoren gleichzeitig Institutsleiter und Vizepräsidenten waren. Der Senat hatte – neben dem Kuratorium – eine gewisse Trägheit, auch da seine Mitglieder weitere Verantwortlichkeiten außerhalb der Hochschule zu erfüllen hatten. In diesen Anfangsjahren wurden weitere Professuren besetzt und neue MitarbeiterInnen eingestellt, die teilweise auch in den Senat kamen. Sie hatten, da die Gestaltung der Hochschule nicht in den Gremien, sondern im relativ gesehen kleinen Präsidium vorangebracht wurde, kaum Berührung mit dem, was die Hochschule in ihrer lebendigen Idee ausmacht. Zudem war bei all der Belastung kaum Zeit, die Hinzukommenden mehr als „verwaltungstechnisch“ einzuarbeiten; die MitarbeiterInnen hatten daneben keine Zeit für Fortbildungen o. Ä.; darauf wurde von Seiten der Leitung auch kein Wert gelegt: Praktische Erfahrung in der Organisationsentwicklung spielte kaum eine Rolle. Die Folge davon zeigte sich rasch im – wie ich es nennen möchte – Fehlen eines gemeinsam getragenen Idealprinzips, d. h. der Verbindung aller (auch neu) an der Hochschule beteiligten Menschen mit der oben geschilderten (Gründungs-)Idee, mindestens einmal in Form der Auseinandersetzung damit. Das Ausbleiben dieser Auseinandersetzung trug dazu bei, dass die zwei Disziplinen Philosophie und Ökonomie inhaltlich zunehmend unterschiedlich ausgerichtet wurden.

Als Schlaglicht: Dieser schnelle Aufwuchs ohne die Frage des Einbezugs und der Entwicklung der Mitarbeitenden im Präsidium hat dazu geführt, dass 2017 das Hochschulmotto als solches nach Außen nicht mehr in Erscheinung treten durfte. Hierzu gilt es zu sagen, dass es von Anfang an bei einigen Hochschulpersonen, später auch innerhalb der Studierendenschaft, eine gewisse Skepsis gegenüber den Inhalten der „Kueser“ Philosophie gab. Diese wurden – nicht zuletzt von den ProfessorInnen der Ökonomie – als schwer verständlich beschrieben, als nebulöse „Spiritualität“ oder „Mystik“, und als nicht nach Außen zu „vermitteln“; obwohl gerade diese Philosophie die ideelle Grundlage der Hochschule vorbereitet hatte. Dagegen wurde das Anliegen einer „neuen ökonomischen Bildung“ des Instituts für Ökonomie stärker wahrgenommen. Aussichtsreiche Kooperationen in der Philosophie, etwa zu Selbstbestimmt Studieren, wies das Präsidium zurück. Frühere Versuche von Kooperationen in der Forschung, etwa zur Frage der „Bildlichkeit“ in Philosophie und Ökonomie, versandeten auf der Fahrt. Es gab zwar eine Hochschule, die etwas anders machen wollte als überall sonst in der Bildung – aber es gab schon bald kein gemeinsames Denken mehr.

Präsidialsystem

Wenn wir nun Richtung Schiffbruch segeln, sollten wir noch etwas genauer auf das Präsidium schauen, das das Schiff Cusanus Hochschule maßgeblich lenkte. Dieses war zwar als Kollegialorgan gedacht, war jedoch von häufigen Wechseln an der Stelle der Präsidentschaft geprägt. Diese fehlende Kontinuität wiederum machte die Arbeit nach Innen und Außen schwierig – zumal die Führung des Präsidiums häufig nicht auf Wahrnehmung und Anerkennung der Institution und der Menschen in ihr beruhte, sondern vielmehr bis zur Ermüdung mit Modellen und Pfaden einer „normalen“ Organisationsentwicklung argumentierte, die wesentlich gruppenbezogene Eigeninteressen unterstellten.

Zudem hatte die bald zahlenmäßig größte Gruppe, die Studierenden, kaum Einblick in die Entscheidungsprozesse im Präsidium – ein solcher wurde selbst dem Senat nur in geringem Umfang gewährt, was die Meinungsbildung dort deutlich erschwerte. Das ließe sich damit begründen, dass Studierende „studieren können sollen“, war jedoch der Tatsache geschuldet, dass vom Präsidium erheblicher Widerstand gegen eine solche Einmischung geleistet wurde – etwa nachdem der Senat für eine studentische Vizepräsidentschaft votiert hatte (die es zum Beispiel an der Zeppelin-Universität schon gibt).

Am 20. November 2017 hat der Senat schließlich, nachdem die ersten zwei Präsidenten ausgeschieden waren, eine der GründungsprofessorInnen zur „Übergangspräsidentin“ gewählt – in einer formal zweifelhaften Wahl und vor allem mit 4:3 Stimmen, also nach einem (letztlich fatalen) Mehrheitsprinzip, gegen das wir als StudierendenvertreterInnen schon im Vorfeld opponiert hatten. Die nun gewählte Übergangspräsidentin war mit dem Vorhaben angetreten, in dieser zentralen Position die prekäre finanzielle Situation der Hochschule durch Fundraising zu verbessern. Schon wenige Wochen später war das Präsidium neben dem Kanzler nur noch von Mitgliedern des Instituts für Ökonomie besetzt.6

Die originale Wahlurne für die Wahl zur Übergangspräsidentschaft
Die originale Urne für die Wahl zur Übergangspräsidentschaft 2017, hier auf dem Weg zum Altpapier.

3. Der Schiffbruch (2019)

Es war also ein Schiffbruch mit Ankündigung. Obwohl die Übergangspräsidentin mit eben diesem Ziel angetreten war, konnte die langfristige Finanzierung nicht gesichert werden. Ein Richtungswechsel innerhalb des Präsidiums war die Folge: Das von Anfang an bestehende Prinzip der Gesamthochschulfinanzierung wurde innerhalb des Präsidiums zum Prinzip einer Bereichsfinanzierung von dann „konkurrierenden“ Instituten gemacht. Das heißt, es wurden Philosophie und Ökonomie wie Äpfel und Birnen verglichen: Wie viel bringen die Menschen in den jeweiligen Instituten an Mitteln, an Studierenden, und wie viel kosten diese? Gearbeitet wurde mit simplen quantitativen Verteilungsschlüsseln und ohne Rücksicht auf etwaige Unterschiede zwischen den Disziplinen. Damit machte das Präsidium ein willkürlich ausgestaltetes Konkurrenzprinzip zum leitenden Prinzip in Fragen innerer Hochschulentwicklung.

Auf dieser Basis schrieb man dem Institut für Philosophie einen Budgetmangel zu, woraufhin das Präsidium nach Neujahr 2019 ohne Einbindung des höchsten Gremiums drei Entscheidungen bekanntgab:

(1) den Stopp von Neu-Immatrikulationen in beiden Philosophie-Studiengängen,

(2) den Abbruch der Berufungsverhandlungen mit einer bereits zur Berufung vorgeschlagenen Professorin für Philosophie sowie

(3) die Kündigung einer internationalen Kooperation inklusive Stiftungsprofessur, weil deren Inhaber in einem internen Brief die mangelnde Erfahrung und Kompetenz des Präsidiums in akademischen Führungsfragen angeprangert hatte.

Es ist leicht vorzustellen, dass diese Entscheidungen zu erheblichem Aufruhr innerhalb der Studierendenschaft geführt haben. Bis heute ist es schwierig, zu klären, was eigentlich genau im Vorfeld dieser Entscheidungen vorgefallen war. Doch auch eine gemeinsame Erklärung der vor Ort versammelten Studierendenschaft konnte keine Rücknahme der Entscheidungen erreichen. Vielmehr beharrte das Präsidium auf der budgetbedingten Begründung der Entscheidung. Ein offenes Gespräch über diese Entscheidungen war nicht möglich; bereits früh ließ das Präsidium Anwaltsschreiben anfertigen, um die eigenen Handlungen auf Basis des Hochschulgesetzes und der Grundordnung zu legitimieren. Dabei standen die Aussagen der beteiligten Seiten gegeneinander, was zur Verunsicherung (gegenüber dem anfänglich erwachten Rechtsempfinden) und letztlich zur Handlungsunfähigkeit weiter Teile der Hochschule geführt haben dürfte. Im Senat fehlte da bei die Bereitschaft, die Präsidiumsentscheidungen zurückzuweisen, was einen ungewissen Ausgang mit sich gebracht hätte. Die Angst vor dem Zusammenbruch der Hochschule ging um.

Nachdem klar wurde, dass der Senat diese Entscheidungen nicht anfechten wird, haben die Menschen im Institut für Philosophie geschlossen ihre Kündigungen eingereicht. Schiffbruch. Die „Bedrohung von Außen“ (andere Akteure in der Hochschullandschaft, Ministerium) wurde systematisch überschätzt, die Frage der Zusammenarbeit im Innen systematisch unterschätzt.

4. Schiffbruch Selbstverwaltung? Ein Fazit

Abschließend möchte ich auf zwei Ebenen Herausforderungen benennen, wie sie sich für die Cusanus Hochschule gezeigt haben: auf strukturell-materieller Ebene, vor allem die rechtliche und finanzielle Seite betreffend, sowie auf persönlich-ideeller Ebene.

Die erste Herausforderung ist sicherlich die Einbettung in ein (staatliches) Bildungssystem, das weitgehend auf Fremdverwaltung beruht. Neue Formen sind hier erst noch zu entwickeln und von allen Beteiligten zu erüben. Eine staatliche Anerkennung geht mit einem hohen Dokumentations- und Prüf-Aufwand einher, nebst dem ungewissen Status der Institution im Rechtsrahmen der teilweise privatisierten Akkreditierungslandschaft. Dabei hat Selbstverwaltung in der Bildung umzugehen mit der Frage langfristiger Finanzierung, in einem für eine Hochschule nicht gerade geringem Rahmen.

Hier wird vor allem die Rechtsstruktur zur Frage, die bei aller Innovation, die in der Grundordnung der Cusanus Hochschule widergespiegelt ist, zuletzt doch nicht ausgereicht hat, um gewisse ungleiche Konstellationen und eine entsprechende rein nach Außen gerichtete Entwicklung von hoffnungsvoll finanzstarken Narrativen zu verhindern, die nach Innen nicht ausgefüllt werden können. Geistige Autonomie braucht hier weiterhin zu schaffende und weiter zu entwickelnde Formen – rechtlich wie finanziell.

An dieser Stelle und mit Blick auf Mehrheitsentscheidungen, die letztlich beizutragen hatten zum Schiffbruch, sei gesagt: Es braucht, und sei auch die „Arbeitsbelastung“ noch so groß, weiterhin offene Gesprächsräume als gemeinsame Wahrnehmungsräume. Stattdessen hat man die ganze Zeit in einer Art Belagerungszustand gelebt: Man hat sich gegen Außen gewendet, gegen die Einflussnahme des Ministeriums, gegen die schwierige finanzielle Situation, gegen andere Hochschulen, gegen die andere Philosophie, die man nicht wollte, gegen die andere Ökonomie, die man nicht wollte usw. Es wurde lange ausgeblendet, dass man im Innen eigentlich gar nicht miteinander sprechen konnte.

Neben diesen Aspekten sind auf persönlich-ideeller Ebene zwei darüber hinausführende Herausforderungen festzuhalten, die im Rückblick aufscheinen:

Auf einer ideellen Ebene habe ich schon versucht zu zeigen, dass die überpersönliche Verbindung mit der Idee einer von freien Menschen getragenen und gestalteten Hochschule unabdingbar für das Gelingen einer solchen Institution ist – weniger, um der enormen Belastung des Selbstverwaltungs-Alltags eine Antriebskraft zu liefern, sondern vor allem, um gemeinsam aus Erkenntnis handeln zu können. Daraus folgt, dass die Menschen an dieser Institution und ihre Entwicklung immer im Mittelpunkt des Hochschullebens zu stehen haben – und nicht Beziehungen oder Machtkämpfe. In einem solchen Miteinander entsteht notwendig die Frage nach der Fähigkeit, kollegial zu agieren, aus Kritik zu lernen und zu entscheiden – statt zentralisiert und dementsprechend machtorientiert. Denn in einem doch noch eher kleinen Rahmen, wie an der Hochschule bis zuletzt, ist jeder Einzelne entscheidend. Vielleicht lässt sich das zusammenfassen mit dem Slogan:„Selbstverwaltung als Notwendigkeit ideeller Gemeinschaftsbildung“. Auch hier sind Formen zu entwickeln.

Eine gute Nachricht zuletzt: Wie Odysseus sich immer wieder ein neues Schiff bauen musste, hat sich auch die Idee des Cusanus wieder ein Haus gebaut: das Philosophische Seminar in Bernkastel-Kues, Teil der Kueser Akademie. Dort werden heute sowohl der Zertifikats-Studiengang „Philosophie und Gesellschaftsgestaltung“ auf B.A.-Niveau (in Kooperation mit Selbstbestimmt Studieren), die berufsbegleitende Weiterbildung Lebendige Philosophie in Stuttgart als auch eine Kooperation mit der Universität Oldenburg im Bereich eines M.A. Philosophie verantwortet. Der freie Geist bewegt sich selbst – auch nach seinem Schiffbruch.

Fußnoten:

1 Die Kueser Akademie ist zugleich Sitz der Gemeinsamen wissenschaftlichen Einrichtung der Universitäten Mainz, Oldenburg und Trier.
2 Zum Wintersemester 2021/22 wird der Umzug der Hochschule nach Koblenz erfolgen.
3 „liber spiritus seipsum moveat.“ Dialogus de ludo globi, n. 36.
4 Von Seiten der Hochschulleitung scheint kein Interesse zu bestehen, die Vorgänge im öffentlichen Diskurs aufzuarbeiten. Es wird schlichtweg von einer „Neuausrichtung“ gesprochen. Weitere Hintergründe liefert jedoch Matthias Fechner: „Wenn Hochschulen zu Wirtschaftsunternehmen werden. Zur Neuausrichtung der alternativen Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues“, in GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 7–8/2019, S. 16–17.
5 Ein „sicherer“ Anteil der Einnahmen stammte aus einer Stiftungsprofessur und deckte damit nur einen kleinen Teil des Personals ab.
6 Mit der jüngsten Entscheidung des Senats wurde aus der Übergangspräsidentin nicht nur die Geschäftsführerin der Cusanus Treuhand, sondern die inzwischen gewählte Präsidentin der Cusanus Hochschule.